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Eine Rede abzulesen ist wie am Telefon zu küssen.
Es fehlt etwas!

Psychologie des Verkaufens

Das Bewusstsein, so weiß es der Duden, ist die „Gesamtheit all jener psychischen Vorgänge, durch die sich der Mensch der Außenwelt und seiner selbst bewusst wird.“ Und nun stell dir einmal vor, dieses Bewusstsein wäre so groß wie eine Scheibe Toastbrot. Wie groß wäre dann wohl das Unterbewusstsein? Das Unterbewusstsein ist wiederum die Gesamtheit der „vom Bewusstsein nicht gesteuerten, psychisch-geistigen Vorgänge“. Wäre das so groß wie ein Tisch? Ein Wohnzimmer? Die ganze Wohnung?

Alles falsch. Wäre das Bewusstsein so groß wie ein Toastbrot, hätte das Unterbewusstsein die Dimension eines Fußballfeldes.

Es ist also nicht schwer zu erraten, wo der wahre Antreiber unserer Entscheidungen sitzt. Die bewussten, rationalen Gedanken spielen sich im Großhirn ab. Die unbewussten, die oft die Entscheidungen auslösen, sind eher konfus in allen Bereichen des Gehirns angesiedelt. Hauptsächlich allerdings in den älteren Teilen, die für Bewertungen und Reaktionen zuständig sind. Wir reiten also auf einem riesigen Elefanten, der unser Unterbewusstsein symbolisiert.

Wenn wir uns mit Verkaufspsychologie beschäftigen, werden wir tief in unsere unbewussten Vorgänge hineinsehen, die uns zu bestimmten Handlungen treiben. Ich nenne dieses gezielte Hineinsehen in unsere Entscheidungsprozesse Tiefen-Reflektion.

Alles beginnt im Kopf

Als Pygmalion-Effekt oder Rosenthal-Effekt wird in der Psychologie ein Versuchsleiter-Erwartungseffekt bezeich-net. Dem Effekt nach sollen sich Erwartungen, Einstellungen, Überzeugungen sowie Vorurteile des Versuchsleiters nach Art der „selbsterfüllenden Prophezeiung“ auswirken, das heißt die Leistungen der Versuchsperson entwickeln sich in erwarteter Form.

Beim Rosenthal-Experiment wurde Lehrern vorgetäuscht, dass ein wissenschaftlicher Test mit ihren Schülern durchgeführt wurde. Für diesen Test waren angeblich 20 Prozent Überflieger ausgewählt worden, die kurz vor einem Entwicklungsschub ständen. In Wirklichkeit jedoch wurden diese 20 Prozent der Kinder willkürlich ausgewählt. Ein Unterschied zwischen den besonderen und den gewöhnlichen Kindern existierte somit nur im Bewusstsein der Lehrer. Nach einem Jahr konnte festgestellt werden, dass die Kinder aus der Gruppe der „Überflieger“ sich tatsächlich besser entwickelt hatten und ihr Intelligenzquotient messbar erhöht war im Vergleich zu den Kindern aus der Kontrollgruppe.

Der Glaube an die „guten“ Schüler und das Misstrauen gegenüber den „schlechten“ hat sich also im Verhalten manifestiert. Die Lehrer haben durch ihr Verhalten, ihre Ausstrahlung, ihre Mimik und ihre Worte die Schüler beeinflusst, ohne dass es ihnen bewusst war.

 Learning!

Was bedeutet dieses Experiment für unsere Verkaufspraxis?

Als Verkäufer musst Du sowohl von deinem Produkt/deiner Dienstleistung als auch von deinen Kunden vollkommen überzeugt sein. Dann kannst Du bei Kunden etwas bewegen. Genauso wie die Lehrer, die von der ‚Klugheit‘ der ausgewählten Schüler überzeugt waren. Starke Überzeugungskraft lässt in deinem Auftritt und in deiner Ausdrucksweise eine Energie überspringen, der sich kaum ein Kunde entziehen kann.

Wenn Du im Verkauf bisher vielleicht nicht so erfolgreich warst, wie Du selbst erwartet hast, können folgende Fragen hilfreich sein:

  • Bist Du bis in die Haarspitzen von (dir und) deinem Produkt überzeugt?
  • Würdest Du selbst - anstelle des Kunden - das Produkt kaufen?
  • Gehst Du mit dem Nutzen des Produktes konform?
  • Was sind die wichtigsten Kundengründe, das Produkt zu kaufen?

Jede einzelne dieser Fragen solltest Du im Schlaf und vor allen Dingen positiv beantworten können. Und mit dieser Einstellung gehst Du ab sofort zu jedem deiner Kunden.

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Sieger erkennt man am Start –

Verlierer auch.

(Dieter Lange)

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Über den Umgang mit angeblichen Vollidioten

Es gibt Menschen, von denen Du folgendes denkst: „Nee, nee, nee. Das darf doch nicht wahr sein! So ein Idiot.“ Besonders schlimm ist es, wenn Du Tiernamen vergibst wie Kuh, Hornochse, Ferkel oder anderer Geschöpfe. Oft wissen wir zwar, dass das unsere eigene Wahrnehmung ist, denn unser Gegenüber ist ja in Wirklichkeit weder ein Esel noch eine Zecke. Oft müssen wir uns aber daran erinnern, dass es sich hier eben ‚nur‘ um unsere Wahrnehmung handelt.

Im geschäftlichen Kontext können wir uns die Kunden oft – oder meistens – nicht aussuchen. Daher meine kritische Frage: Was nützt es also, wenn wir bestimmte Kunden negativ eingestellt kontaktieren?

Wenn ich mit Außendienstlern unterwegs bin, kommt es schon mal vor, dass gesagt wird „Der nächste Kunde ist ganz schrecklich!“. Und dann werden aus dem Stand eine Menge Gründe aufgeführt, warum dieser Kunde so schrecklich ist.

Beispiel: Horst

Horst arbeitete für eine bekannte Markenfirma, die ihre Produkte an Apotheker verkauft. Im Außendienst heißt das, jeden Tag ca. 9 Apotheken zu besuchen. Horst war den ganzen Morgen recht erfolgreich unterwegs. Als nächstes war der Apotheker Dr. Hans Hoffmann in Gütersloh an der Reihe. (Alle Namen wurden geändert.)

Vor dem Besuch sagte Horst mir wörtlich: „Dieser Hoffmann ist doof. Der hat mich letztes Mal regelrecht rausgeschmissen.“ Aha. In so einem Fall war es wieder Zeit für meine Lieblingsübung. Ich sagte Horst: „Nenne mal drei positive Eigenschaften von Dr. Hoffmann!“ Pause. Ich hakte noch einmal nach: „Vielleicht hat Dr. Hoffmann Familie. Vielleicht lieben ihn seine Kinder. Vielleicht kommt er bei den Kunden gut an. Vielleicht bewundern ihn seine Mitarbeiter aufgrund seiner Fachkenntnisse. Vielleicht hat er Freunde. Der Apotheker Dr. Hoffmann wird nicht nur Menschen kennen, die ihn doof finden, oder?“

Um die Geschichte kurz zu machen: Horst ist dieses Mal ganz bewusst mit einer komplett anderen, nämlich positiven Einstellung zum Kunden gegangen. Und der Kunde war wie verändert.

Ich habe zum Beispiel in Seminaren schon sehr oft die Erfahrung gemacht, dass diejenigen Teilnehmer, die extrem ernst und kritisch aussehen, nicht unbedingt ernst und kritisch sind. Es gibt Menschen, die, sobald sie sich besonders für ein Thema interessieren, sehr ernst aussehen. Ihr Gesicht hat dann eine besonders tiefe Stirnfalte. Dadurch sehen sie kritischer aus als andere. Und genau von diesen Teilnehmern bekomme ich häufig das beste Feedback. Dass das Seminar inhaltlich unglaublich interessant war und viele neue Impulse gegeben hat. Das erstaunt mich auch heute noch manchmal. Also lasst uns von zu schnellen Einschätzungen und Bewertungen absehen.

Learning!

Was nehmen wir mit?

Konzentriere dich immer auf die positiven Seiten deines Kunden, und Du hast eine gute Chance, ein blaues Wunder zu erleben.

Ein solcher Positiv-Perspektivwechsel (auch Reframing genannt) ist oft heilsam, gerade im Verkäufer-Business. Nicht jeder Kunde ist ständig so nett wie wir selbst. Damit müssen wir umgehen. Und der Kundenbesuch von Horst und mir war der Pygmalion-Effekt in Action. Wie man in den Wald hineinruft, schallt es heraus.

Kleiner Exkurs: Pygmalion

 Pygmalion ist ein König von Kypros, der sich in das Elfenbeinbild der Aphrodite verliebte. Er wollte nicht heiraten, weil sein Herz und seine Sinne von einer schneeweißen Elfenbeinstatue gefangen genommen waren, die die unbekleidete, in ihrer Gestalt vollkommene Aphrodite darstellte.

Er selber hatte sie mit so viel Leidenschaft geschaffen, dass die Materie fast lebendig schien. Seine zärtliche Hand konnte nicht unterscheiden, ob sie aus Elfenbein oder echtem Fleisch war. Pygmalion küsste und umarmte die Statue und glaubte, dass seine Liebe erwidert würde. Nachts legte er sich neben sie, am Tag kleidete er sie an und schmückte sie mit Juwelen.

Dann kam das in Zypern so wichtige Fest zu Aphrodites Ehren. Nach den üblichen Opfergaben, näherte sich Pygmalion, seine Ergebenheit bezeugend, dem Altar und bat die Götter scheu, dass sie ihm eine Frau gönnen mögen, die der von ihm geschaffenen ähnelte. Er wagte nicht zu sagen, dass er sich genau sein Elfenbeinmädchen gewünscht hätte.

Aphrodite, die bei ihrem Fest anwesend war, verstand das Gebet und erweckte die Statue zum Leben.

Aus der Verbindung zwischen Pygmalion und der von der Göttin bewilligten Dame ging Paphos hervor. Das ist aber nicht weiter wichtig. Vielleicht würde man heute Pygmalion auch für einen Perversling halten. Aber immerhin hat er es in die Psychologie-Literatur geschafft.